Film © Michael Lauter | 2024
Sprecher Rüdiger von Krosigk
Die Arbeiten von Christoph Anschütz bewegen sich zwischen Phantasie und Realität. Die Bronzen zeigen Möglichkeiten von Wesen auf, die es in unserer bekannten Alltagswelt wohl nie gegeben hat, die aber in unserer Phantasie Gestalt annehmen können. Sie sind greifbar und entziehen sich doch jeder Kategorisierung. In allen Kulturen unserer Welt bestimmen Mythologien über nicht greifbare Wesen und Daseinsformen die Geschichten und Träume der Menschen.
„Fenoderee“ sind genau solche Wesen. Seit jeher wurden ihre Taten und Schelmenstreiche in irischen Kindergeschichten von Generation zu Generation weitergegeben. In unzähligen Kinderköpfen haben diese Vorstellungen Gestalt angenommen. Die Werke sind stumme Zeugen dieser möglichen Existenzen. Die Schädel wirken wie Trophäen eines wahnsinnigen Jägers, der sich kraft seiner Gedanken durch alle denkbaren Möglichkeiten bewegen kann. Die Schädel sind in ihrem vermeintlichen Ende erstarrt. Die leeren Augenhöhlen blicken uns als Betrachter dennoch an und versprechen eine ständige Mahnung an Vergänglichkeit und Neubeginn, aber auch an den morbiden menschlichen Drang zur Zerstörung.
Die Zeit fordert ihren Tribut – die Geweihe liegen bereits im rostigen Verfall, vom Vergessen zermürbt. Die Wesen in ihrer vorübergehenden Erstarrung warten sehnsüchtig auf den Moment des Erwachens.
Die Urgewalt sublimiert sich im rohen Stahl des Werkzeugs.
Die Gartenharke erinnert die Urbarmachung neuen Bodens, sie wirft die Krume auf – im Feld wie im Geist.
Zwischen den beiden Selbstporträts liegen 27 Jahre. Eine Zeit des Wachstums, der Reife, aber auch des Verlustes der kindlichen Unbeschwertheit. Wo ist die Zeit geblieben?
„Avis“ nennt der Künstler Christoph Anschütz seine jüngste Werkserie. Es sind Vogelwesen. Vögel haben eine lange Tradition in der Kunstgeschichte. Seit Jahrhunderten beflügeln sie die Kreativität der Künstler. Schon in der Antike wurden Vögel in der Kunst dargestellt, zum Beispiel als Symbole der Freiheit oder als Boten der Götter.
In der Renaissance wurden Vögel häufig als Allegorien für bestimmte Eigenschaften verwendet. So steht der Pfau für Eitelkeit, der Adler für Stärke und der Kranich für Treue. Die im Wachsausschmelzverfahren gefertigten Bronzen erinnern an die düsteren Fabelwesen von Hieronimus Bosch, die den Betrachter in eine geheimnisvolle Welt entführen. Erst auf den zweiten Blick entpuppen sich die gefiederten Wesen als ein raues Zusammenspiel von Bronze und alten Eisenzangen. Die beiden Metalle ergänzen sich und bilden zusammen den harten Körper der surrealen Vogelwesen.
In der Welt der Vögel, in der die Luft von ihrem fröhlichen Gesang erfüllt ist und ihre schillernden Federn im Sonnenlicht glänzen, offenbart sich eine faszinierende Schönheit und Anmut. Ihre Flugkünste sind atemberaubend, ihre Stimmen melodisch und ihr Verhalten oft geheimnisvoll. Doch die Vögel von Christoph Anschütz entziehen sich diesem bekannten Spiel. Seine Vögel stehen still und werden sich auch nicht in die Lüfte erheben. Vögel sind Symbole für Träume, Hoffnung und Freiheit – Themen, die den Bildhauer Christoph Anschütz seit jeher faszinieren und inspirieren. Er zeigt die Möglichkeit des Unerwarteten. Seine Kreaturen bewahren stets ein letztes Geheimnis.
Christoph Anschütz
geb. 12.06.1982 in Speyer
Schulische Ausbildung (1993 – 2002)
Friedrich-Magnus-Schwerd-Gymnasium, Speyer, Abschluß: Abitur
Zividienst (2002 – 2003)
DRK Speyer – Sanitäter im Rettungsdienst
Studium (2004 – 2013)
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Studium der Bildenden Künste bei Prof. Ullrich Hellmann an der Kunsthochschule Mainz Mitglied der Metallklasse
Weitere Studienfächer: Geographie
Ausbildung (2014 – 2015)
Referendariat Seminar Kaiserslautern. Ausbildungsschule: Veldenzgymnasium Lauterecken
Seit 2015 Lehrer am Leininger Gymnasium, Grünstadt
Die Bronzefische bestehen auch ohne eine Deutung und sprechen mit ihrer schroffen, morbiden Ästhetik und großen Ausdruckskraft für sich. Sie drängen sich dem Betrachter geradezu auf, ja bedrohen ihn fast mit ihren Zähnen und verwesenden Leibern und erzeugen so eine Faszination, die zwischen Anziehung und Abstoßung schwankt, so daß schon rein visuell und affektiv ein bleibender Eindruck entsteht.
Zugleich aber bieten diese seltsamen Fische dem Kontemplierenden auch die Möglichkeit einer interpretierenden Deutung: So erinnern sie in ihrer Anatomie an Tiefsee-Fische, an jene durch ihr Aussehen oft furchteinflößenden fremdartigen Kreaturen, die aus einer anderen Welt zu stammen scheinen und die wie geisterhafte Rätsel in den lichtlosen, unerreichbaren tiefsten Tiefen hausen, zwischen den Fundamenten unserer Welt. Der Künstler hat hier also etwas aus der Tiefe hochgeholt, etwas sonst Verborgenes sichtbar gemacht.
Auszug aus einem Text von Hans-Peter Anschütz
Christoph Anschütz
The Reformator, 2017, Gipskunststoff / 3-D Drucker
AUSSTELLUNGEN UND AUSSTELLUNGSBETEILIGUNGEN
2006 | – Slices of Life – Contemporary Photography, Ferenbalm-Gurbrü Station, Karlsruhe – Zwischenhoch, Ausstellung in der Kunsthochschule Mainz |
2007 | – R(h)einblick, ehemaliges Zollamt Wiesbaden – Rundgang, Jahresausstellung in der Kunsthochschule Mainz |
2008 | – Fail better, Kunsthalle, Mainz |
2009 | – Roommates, Pengland, Mainz – Rundgang, Jahresausstellung in der Kunsthochschule Mainz – Hans-Purrmann-Preis, Speyer – Forum junge Kunst, Speyer |
2010 | – BLUE & Blues, Kult(o)urnacht, Speyer – Discover Inside, Speyer – Rundgang, Jahresausstellung in der Kunsthochschule Mainz |
2011 | – Rundgang, Jahresausstellung in der Kunsthochschule Mainz – Feuerbachhaus, Speyer |
2012 | – Spurensuche Rhein-Main, Kunsthochschule Mainz – ARTvent, Speyer |
2013 | – „39 x 3 Pfälzer Bildhauer“ – Kleinplastik im Herrenhof, Neustadt/ Mußbach – ARTvent, Speyer |
2014 | – 25 Jahre Partnerschaft Speyer-Ravenna, Ravenna – Marziart, Hamburg |
2015 | – Art of Eden, Darmstadt |
2016 | – Galerie M Beck, Homburg (Saar) – Kunstlicht, Kult(o)urnacht, Speyer |
2017 | – Alles im Fluss, Feuebachhaus, Speyer – RE – form, Galerie ehemaliges reformiertes Schulhaus, Kult(o)urnacht, Speyer – Conversion, St. Ludwig, Speyer – ART Salzburg Contemporary, Salzburg |